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Drei Krisenmodelle

Plötzlich und unerwartet

Es schleicht sich ein

Es war noch nie gut


1. Plötzlich und unerwartet

Es gibt Menschen, die erleben jahrelang Stabilität und trauen sich selbstsicher zu, jedes Problem zu lösen. Dann kommt völlig unerwartet eine Situation, die sie nicht händeln können.

  • Lehrkräfte, die immer mit ihren Schülern "fertig wurden", sind plötzlich von einer Klasse oder Lerngruppe völlig entnervt und können sich nicht behaupten.

  • Immer gesund gewesen, und jetzt nur Schmerzen, eine schwierige Operation wird fällig.

  • Jahrelang eine glückliche Beziehung, jetzt läuft die Partnerin mit einem andern davon.

  • Der unaufhaltsame Aufstieg in der Firma wird jäh gestoppt. Ein neuer Chef stellt sie oder ihn kalt.

Eine Krise wird daraus, wenn man sein Pulver verschossen hat. Das ist besonders dann der Fall, wenn man sich sicher war, dem Leben komplett gewachsen zu sein.

Man kommt sozusagen von 100 auf 0, ist man ist davon völlig überrascht. "Mir passiert doch so was nicht."

Aus der Krise

Man ist immer noch die oder der Alte, aber die Gegebenheiten ändern sich. Das ist wie im Fußball, wenn die jungen Spieler dem Star einfach keine Vorlagen geben und er infolgedessen auch keine Tore mehr schießt.

  • Die Schüler und Eltern verändern sich, neue Rezepte braucht die Lehrkraft.

  • In der Jugend kann man sich mit allem Möglichen voll dröhnen, und körperliche Risiken eingehen. Plötzlich merkt man, das geht nicht mehr. Die meisten schalten dann einen Gang herunter, manche aber wollen ewig jung und belastbar sein, und dann: Zack.

  • Die Partnerin ändert ihren Geschmack und kommt auf die Idee: das kann doch nicht alles gewesen sein. Sie will ein anderes Leben und er will, dass alles so bleibt. Plötzlich ist sie weg. Oder er.

    Früher sagte man: er wollte nur mal eben Zigaretten oder Brötchen holen.

  • Die Berufswelt ändert sich, in vielen Fällen rasant. Da zeichnet jemand mit Bleistift und Lineal und gibt Briefe zum Tippen. Man ist schließlich 58 und fängt doch nichts mehr mit dem Computer an. Ja, vielleicht bekommt man das hin, wenn man rechtzeitig jemanden an seiner Seite hat, die oder der die Lücke füllt. Wenn man Pech hat, überholt einen dann diese Person. Ganz plötzlich. 

Diese Krise ist so wie die des Seiltänzers, der zu spät merkt, dass das das Seil weg ist.

Selbstsicherheit, Zufriedenheit, Glück, kann zur Abstumpfung führen. Der Absturz kündigt sich anscheinend nicht richtig an und kommt dann wie ein Hammer.

Krise 1 kann man vermeiden, wenn man oder frau aufgeschlossen bleibt für Veränderungen und selber mal etwas verändert, auch seine Einstellungen.

Die Krise 1 kann man bewältigen, indem man ein klares Ziel hat: Man war immer gut drauf, da will man auch wieder hin. Es wäre doch gelacht.


2. Es schleicht sich ein

Es schleicht sich ein ...

Es hat sich schon angekündigt, sie oder er hat es nur nicht so richtig gemerkt, oder: schon gemerkt, die Angst ist schon angestiegen, und dann geschieht es wirklich.

  • Das Unterrichten wurde von Jahr zu Jahr anstrengender. Die Lehrerin, der Lehrer gilt immer mehr als unmodern, früher gern akzeptierte Forderungen werden immer weniger erfüllt. Schlechte oder keine Hausaufgaben, man kommt zu spät, stört, die Eltern zeigen immer weniger Achtung. Dann geht es plötzlich nicht mehr. Krankschreibung, Beurlaubung.

  • Der gesunde Körper, das ist Geschichte. Immer neue Leiden. Es fällt immer schwerer darüber hinwegzusehen. Die Arztbesuche, Krankenhausepisoden, werden häufiger, das Leben besteht immer mehr daraus, sich mit Heilmethoden zu befassen. Ein kranker Körper, man mag sich immer weniger leiden, immer neue Schmerzen, die Lebensfreude geht dahin. Aber: man hat auch nichts getan, um den Körper zu schonen oder zu entlasten, einfach so weiter gemacht.

  • Die große Liebe  war es schon lange nicht mehr. Langeweile, kaum mal Schmusen, immer seltener schöne Augen-Blicke. na gut, was will man nach so langen Jahren erwarten? Die Partnerin gehört sozusagen zur Einrichtung. Und dann: sie verliebt sich und weg. Oder man selber, und weg. Im zweiten Fall kann es ebenfalls zur Krise kommen, wenn sich herausstellt, dass die neue Beziehung ganz und gar ein Irrtum war, dass nicht die Beziehung, das Problem war, sondern das eigene Verhalten.

  • Unzufriedenheit und Lustlosigkeit im Beruf, am Arbeitsplatz. Es kommt schleichend: immer weniger Anerkennung, es wird alles enger und kleinlicher. Eine Weile kann man es kaschieren, vor anderen und vor sich selber.

Es war vorherzusehen, und man hat nichts unternommen, immer so weiter gemacht. Sozusagen auf Verschleiß gefahren.  

Der Akku leert sich langsam, von 100 auf 30, dann reicht die Spannung nicht mehr.

Aus der Krise

Es hat sich angekündigt. Man hat es gefühlt, man hat es wahrgenommen. Man war unschlüssig. Man hat sich die Initiative abkaufen lassen. In gewisser Weise war man bockig. "Wieso muss ich mich ändern? Sollen die anderen mir doch entgegen kommen. Seht mal, was ich auf die Beine gestellt habe. mein Weg war immer der richtige."

Der Widerstand wird langsam größer, es kostet immer mehr Kraft, den Status Quo zu halten. So wird man selber zum Gefangenen des eigenen grandiosen Selbst-Bildes.

Der Mensch in der Krise 2 hat eigentlich die besten Möglichkeiten, die Katastrophe zu verhindern oder bei eingetretener Krise zu erkennen, was er anders machen muss. Wenn da nicht der falsche Stolz wäre.


3. Es war noch nie gut

Es war noch nie gut ...

Es lief von vornherein falsch.

  • Sie wollte eine Karriere als Wissenschaftlerin und fand sich aus verschiedenen Gründen als Chemie- und Physik-Lehrerin wieder. Wegen des Partners und der Familie. Dabei hat sie noch nie etwas mit Kindern anfangen können, und schon gar nichts mit Pubertierenden. Die Arbeit ist eine Qual und demütigend. So war es von Anfang an.

  • Immer schon gekränkelt, immer schon geraucht und getrunken und sich nicht bewegt und ständig am Essen. Man sieht es, man fühlt es.

  • Es war eine Vernunft-Heirat. So nennt man das, wenn man aus Standesgründen, wegen des Geldes oder auch wegen gemeinsamer beruflicher Interessen zusammen geht, aber man findet sich nicht anziehend, da kommt es auch nur lustlos zum Ausziehen. Immer wieder zeigt man sich mehr Abneigung als Zuneigung, aber keine(r) schafft es, diesen beklagenswerten Zustand zu beenden. Weil: vielleicht findet man dann niemanden mehr, das wäre ja noch schlimmer. Oder man hat andere Nachteile, zum Beispiel finanzielle. Oder ein bequemer Service fällt weg.

  • Immer schon ein kleines Licht gewesen, sich nie gewehrt, nie weiter qualifiziert, sein lustloses langweiliges berufliches Ding gemacht. Der Rauswurf kommt vielleicht, vielleicht auch nicht, man weiß nicht was schlimmer ist.

Nicht dass wir uns falsch verstehen. Mann kann eine einfache Arbeit gern und perfekt tun. Mit  Freude das Getränkelager verwalten und am Kontakt mit Kunden Spaß haben. Oder ein völlig uninspirierter Professor, der nichts mehr gemacht hat, seitdem er berufen wurde, schlechte Vorlesungen, keine sinnvolle Forschung, Verachtung gegenüber Studenten, eine Niete mit hohem Gehalt. 

Ja, der Akku war immer schon kurz vor dem Erlöschen, 10 Prozent am Anfang, jetzt so bei 5.

Aus der Krise

Diese Krise kommt nicht plötzlich und nicht allmählich, sie war immer schon da. Damit wirkt sie auch am unvermeidlichsten. Sie wird gar nicht mehr als Krise wahrgenommen, sondern als Schicksal. Das Fatale: es gibt eine Beharrung im Elend, eine Gewöhnung an das Falsche. Daher sind hier auch am wenigsten Veränderungsimpulse zu erwarten. Eingeschliffene Denk- und Verhaltensgewohnheiten sind fast nicht zu besiegen.

Es bedarf schon heftiger Erschütterungen, zum Beispiel eines religiösen Bekehrungserlebnisses, eines dramatischen Todesfalls oder gar der Nachricht, dass man selber nicht mehr lange zu leben hat, dass man zu einer Änderung gelangt.

Allen Krisen gemeinsam ist:

Am Anfang sollte eine Bilanz stehen. Der in die Krise geratene Mensch versucht, sich selber aus der Distanz zu betrachten und sich seine eigene Entwicklungsgeschichte anzusehen.
Er sollte dann in die Zukunft blicken und sich Ziele formulieren, Nah- und Fernziele, und sie oder er sollte sich überlegen, mit welchen Mitteln diese erreichbar werden.
Dabei kann es schon viel bringen, wenn dieser Jemand sich anders bewertet und zu dem Schluss kommt, dass die Krise bei allem Schlechten auch ihr Gutes haben kann: die Chance auf eine Bewegung zum Besseren.


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Dazu passend:
jeder Typus hat seine spezielle Krise -
und sein besonderes Entwicklungsziel.

Das Enneagramm.