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Dr. Uwe Wiest.

8. Juni 2019

Lasst die Verlässlichen links liegen.

In den Märchen - Aschenputtel, Schneewittchen, geht es darum, dass Kinder aus erster Ehe missachtet werden.
Es ist immer die Frau, die neue Kinder mit dem Mann hat, oder ihre mitbringt, die Halbwaise hat die schlechten Karten.
Wobei die neue Frau die treibende Kraft ist, der Vater ist eher lasch und unternimmt nichts.

Aber auch innerhalb Blutsverwandter gibt es diese Liebe zu dem einen Kind und die Verachtung für das andere:
Frau Holle. Erst eine außenstehende nicht blutsverwandte Instanz bringt die Verhältnisse wieder in Ordnung.

In dem Märchen Frau Holle steckt noch eine andere Dynamik: der Hang vor allem von Müttern, den faulen, immer wieder scheiternden, haltlosen und gerissenen Kindern mehr Aufmerksamkeit zu schenken als den Kindern, die pflichtbewusst sind, auf die man sich sozusagen automatisch verlassen kann.
Diese Kinder werden geliebt, da können sich die Pflichtbewussten noch so abrackern, sie bleiben an zweiter oder gar letzter Stelle.
Woran liegt das? Langweilig, die sozial entwickelten Kinder tun ihre Pflicht eh, denen kann man noch mehr aufbürden, die braucht man nicht zu pflegen? ja, was soll man denn mit Kindern anfangen, die klar kommen, die einen nicht benötigen und die ihre Eltern ohne Aufhebens unterstützen?
Zur Sinn stiftenden Aufgabe wird dagegen das Aufopfern für auf sich bezogene und Probleme erzeugende Kinder zur Linderung von Schuldgefühlen.
Die Freude ist dann groß, wenn sie nach zig Jahren am Sterbebett mit Blumen erscheinen.

Die an sich selbst scheiternden Kinder sind immer eine Mahnung an die Mütter: du bist schuld, du hast etwas falsch gemacht. Du hast deinen Erziehungs-Auftrag nicht erfolgreich beendet. Du musst dich ein Leben lang anstrengen, um das wieder gut zu machen. Aber du wirst es nicht schaffen.
Die andere Seite der Medaille ist: die pflichtbewussten Kinder lassen sich das bieten: Du musst dein Leben lang um die Liebe der Mutter kämpfen, und du wirst sie nicht erringen.

Exkurs: Was die Progressiven der 70er Jahre uns erzählen wollten: Charakterentwicklung ist Umwelt-Ergebnis, und die Eltern tragen die Verantwortung, das ist wissenschaftlich fragwürdig. "Schon bei der Geburt sind Charakter und Begabung vorherbestimmt, sagt der Verhaltensforscher Robert Plomin. Schwer zu glauben? Ein Gespräch über vergebliche Erziehung und die Chancen moderner Genforschung." geo-online.

Beim verlorenen Sohn im Neuen Testament ist es der Vater: der ist so erleichtert und froh, dass der sein Erbteil Verprasste wieder vor der Tür steht, endlich hat Vater seine Leibesfrucht wieder. Dabei kommt der doch bloß zurück, weil er alles auf den Kopf gehauen und nichts mehr zum Leben hat.
Da mag er sich gern einsichtig zeigen, wenn andere Menschen ihm die Tür vor der Nase zuschlagen. Der Vater war ihm ein Leben lang egal, aber jetzt: ah, der finanziert sogar seine Arbeitnehmer. Das ist ja eine tolle Reue.
Der Vater stellt keinerlei Forderungen, verlangt keinerlei Beweise für eine tatsächliche Sinnesänderung.

Angemessen wäre gewesen: Hallo Sohn, du stellst dich jetzt mal bei den anderen Arbeitnehmern hintenan. Dein Bruder wacht über deine Arbeit. Oder ein Angestellter, dem dein Bruder den Auftrag dazu gibt. Du hast ein Jahr Zeit, zu zeigen, dass du arbeiten kannst und keine Flausen mehr im Kopf hast, dass du ein würdiger Sohn geworden bist. Dann sehen wir weiter. Wenn das nicht klappt, bist du endgültig weg vom Fenster.
Aber der Vater ist eben nicht Frau Holle.

Kinder müssen lernen, dass sie es mit ihren Eltern verderben können, und dass die Versöhnung an Bedingungen geknüpft wird. Wie im Umgang mit anderen Menschen auch. Sonst wird das für beide Teile ein Fiasko.
Andere Kinder müssen erkennen, dass es irgendwann reicht, wenn die Eltern ihre Bemühungen nicht achten. Sie liefern nicht mehr und reduzieren den Kontakt.

Die Kirche steht voll hinter dem Gescheiterten und richtet sich gegen den Pflichtbewussten. Was für eine erbärmliche Moral!
Wir hauen alles auf den Kopp und kommen dann wegen eines Nachschlags zu den Eltern zurück. Wir werden akzeptiert. Mit Gottes Segen. Und die Eltern sind dann auch noch glücklich, und Vater speist den verlässlichen Sohn mit einer leeren Phrase ab. Denn: "Was mein ist, ist auch dein" ist eine Leerformel, da der Vater den Sohn nicht an der Entscheidung, den anderen wieder aufzunehmen, beteiligt.

Jesus, du hättest dir die Zeit für eine Fortsetzung deines Gleichnisses nehmen sollen. Das Theater wird nämlich von vorn losgehen!

Frau Holle macht das richtig: "ja du kriegst deine Chance. Und du nutzt sie wieder nicht? Alles klar. Du bist nicht bereit und fähig, Bedürfnisse aufzuschieben, du weichst der kleinsten Unannehmlichkeit aus, du bist faul und machst das, was deine Pflicht ist, wenn überhaupt, dann minimalistisch. Weil dir andere Menschen egal sind, du suchst nur deinen kleinen Vorteil.
Du willst aber den großen Lohn.
Wieder Chance nicht genutzt, und Schluss mit lustig."

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