Dr. Uwe Wiest.
15. Februar 2018
Mann
im Kinderzimmer
Problem:
Vögel, Kaninchen, Wölfe und andere Tiere kümmern sich rührend
um den Nachwuchs. Bauen Nester, brüten oder tragen aus, füttern,
bringen dem Nachwuchs etwas bei, und, wenn der Nachwuchs erwachsen
ist, stellen die Eltern den Service ein und verjagen sogar den
Nachwuchs, raus aus dem Nest, raus aus dem Revier.
Allerdings will auch der Nachwuchs mehr oder weniger nichts
mehr
mit den Elterntieren zu tun haben, es sei denn als gleichberechtigtes
Tier im Schwarm oder in der Herde.
Bei den Menschen läuft es im Grunde genauso. Die Eltern sind
froh, wenn die Kinder einen eigenen
Hausstand eröffnen und auch finanziell flügge werden. Die Kinder
haben es satt, nach der Pfeife der Eltern zu tanzen und sich von
ihnen sagen zu lassen, wie das Leben geht.
Wenn die Kinder dann auf eigenen Beinen stehen, und beide
Seiten
haben sich mit dem neuen Status arrangiert, sind alle zufrieden, man
hält Kontakt, die Eltern sind mehr oder weniger stolz und machen ihr
Ding, dann kommen vielleicht Enkel, was zu einer neuen
Rollenverteilung führt.
In einigen Fällen klappt das nicht, und zwar überwiegend bei
jungen Männern. Aus verschiedenen Gründen wollen sie nicht
ausziehen oder bleiben sonst in der elterlichen Abhängigkeit. Sie
haben keinen Beruf gelernt, oder sie schaffen den Sprung ins
Berufsleben nicht, oder sie haben allgemein Angst vor der
Selbständigkeit, oder sie finden keine Partnerin, oder sie genießen
einfach die mietfreie Vollpension inclusive Reinigungs
und Wäschedienst.
Oha, dann haben die
Eltern
einen erwachsenen Mann
im Kinderzimmer. Mit 14 ist das heutzutage normal, mit 30 nicht mehr.
Wenn die Eltern allerdings
gern mit dem jungen Mann zusammen leben wollen, ja, dann brauchen sie
hier
nicht weiter zu lesen, dann gibt es ja erst einmal kein
Problem.
Ansonsten stellt sich die
Frage:
Die Eltern können ihren
Lebensabend
nicht unbeschwert genießen. Wollen sie sich das bieten lassen?
Und weiter:
Mit welchen Spielchen und
Tricks
schaffen es diese Männer, den Eltern weiterhin zur Last zu fallen?
Und weiter:
Wie werden die Eltern den
jungen
Mann, auch gegen dessen Willen, los?
Behandlung und Lösung:
-
Die Eltern können ihren
Lebensabend nicht unbeschwert genießen. Wollen sie sich das bieten
lassen?
Erst einmal muss geklärt werden, ob die
Eltern den jungen Mann wirklich vorbehaltlos aus dem Nest kippen
wollen, oder ob sie unschlüssig sind und einiges dafür spricht, das
doch ganz gut aushalten zu können. Schämen sich die Eltern vielleicht
ein wenig vor Verwandten und Bekannten, aber sind auf der anderen Seite
ganz froh, dass der Sprössling noch da ist?
Gibt es in der Frage
vielleicht eine unterschiedliche Sichtweise von Vater und Mutter?
Nur wegen der Meinung
anderer Leute muss man den Sohn ja nicht vor die Tür setzen.
Es ist noch besser,
wenn der junge Mann sich im Hause nützlich macht und sich um seinen
eigenen Kram kümmert, wie ein rücksichtsvoller Untermieter das auch tun würde.
Es sieht allerdings schon
anders aus, wenn der Sohn den verspätet Pubertierenden darstellt.
Bis um 12 im Bett liegen,
die Nacht zum Tag machen, laute Musik, Partygäste, die in der Wohnung
ein Chaos hinterlassen und was man sonst noch so alles tun kann, um dem
Wunsch der Eltern ach einem baldigen Auszug zu befeuern.
-
Mit welchen Spielchen und
Tricks schaffen es diese Männer, weiterhin Kind in der Wohnung der
Eltern zu bleiben?
Die weiche Art:
Der junge Mann zieht seine
Ausbildung in die Länge, bricht immer wieder ab, fängt etwas Neues an,
kommt finanziell nicht auf eigene Beine. Er bewirbt sich immer wieder,
ohne Erfolg. Niemand weiß warum. Weil die Eltern glauben, dass der
junge Mann bemitleidenswert ist, versorgen sie ihn weiter, helfen ihm
bei der Suche nach Ausbildung und Arbeitsstelle.
Irgendwann kommen sie
drauf, dass irgendetwas an seinem Verhalten zu dieser erfolglosen
Situation führt, dass er sich eigentlich nicht wirklich bemüht, dass er
sein Leben voll darauf einrichtet, nicht
durch Lernen oder Arbeit in die Pflicht genommen zu werden. Siehe oben.
Das führt dann zu
familiären Diskussionen und Auseinandersetzungen, mit Ärger, dann
wieder Versprechungen, es ändert sich aber nichts.
Die harte Art:
Der junge Mann gibt den
Eltern die Schuld, dass sie ihn falsch behandelt haben, sein
Selbstbewusstsein zerstört haben, ihn nicht genug lieben, so dass er
sich nicht entwickeln konnte. Das wird immer wieder bei
Auseinandersetzungen ärgerlich ins Feld geführt, begleitet von
aggressivem Verhalten. Er macht den Eltern Schuldgefühle, er macht den
Eltern Angst.
Er bringt die Eltern in die
Situation, dass sie ihre Fehler wieder gut machen wollen.
Noch härter: er wird
drogensüchtig, kriminell, psychisch krank, alles Schuld der Eltern.
„Ihr habt mich so gemacht,
selber schuld, ich brauche mich nicht zu ändern, das habt ihr jetzt
davon.“
Schließlich gehen die
Eltern in Therapie, der junge Mann nicht. Die Eltern versuchen immer wieder zu
helfen, der junge Mann erkennt das nicht an, fordert und kränkt.
Dabei wird umgekehrt ein Schuh draus:
Eltern machen sich schuldig, wenn sie den Sohn, der sich nicht weiter
entwickeln will, in seinem Stillstand unterstützen – und ihm damit,
genau, damit, das Leben versauen.
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Wie werden die Eltern den
jungen Mann, auch gegen dessen Willen, los?
Die Eltern können das Problem nicht
konfliktfrei lösen, denn der junge Mann braucht seine eigenen Probleme
nicht zu bearbeiten, so lange die Eltern die
Retter darstellen. Sie
kommen nicht um eine klare Härte herum.
Wie kann das aussehen?
Auszugs-Termin setzen. Das
Wohnen unbequem machen, bewusst durch permanente Auseinandersetzungen
und Vorschriften. Es wird morgens aufgestanden, es wird im Haushalt
geholfen, es wird Ordnung gehalten, keine Besucher, die die Eltern
nicht wünschen, keine finanziellen Zuwendungen über das Nötigste
hinaus, möglichst gar keine, einen Beitrag in Form einer Art Miete
verlangen.
Wenn das nichts fruchtet:
Koffer packen, Sachen an die Straße stellen, Schlösser auswechseln.
Natürlich vorher ankündigen. Es wird ein Riesentheater geben. Aber: es
lohnt sich.
Kann man das denn machen,
gegen das eigene Blut? Ja, kann man. Der Sohn ist erwachsen, Eltern
sollten ihn so behandeln.
Sie tun ihm damit sogar
einen Gefallen, denn nur durch einen Hinauswurf kann er lernen, sich
weiter zu entwickeln, „seinen Mann zu stehen“. Wenn man einen
Erwachsenen wie ein Kind behütet, macht man ihn zum Kind, aber ohne
Chancen auf die Zukunft.
Das gilt besonders für die
harte Variante. Eltern sollten sich durch Vorwürfe nicht einschüchtern
lassen. Manche Eltern finden durch die ständige Wiederholung
schließlich selber, dass der Sohn sich alles erlauben darf, weil sie
früher so schlechte Eltern waren. Sie lassen sich durch solche Vorwürfe
vergiften.
Sie sollten dann zu
einer Psychologin/einem Psychologen gehen, aber nicht mit dem Ziel, wie
sie den Sohn bessern können, sondern wie Sie mit diesen Schuldgefühlen und Ängsten umgehen können.
Oder ist einem der
gute Kontakt zum Sohn wichtiger, um JEDEN Preis? O.k. Siehe 1.
-
Zukunftsversion!
Wie wird das im
nächsten Jahr aussehen? In fünf Jahren? in zwanzig Jahren? Die Eltern
gehen mit ihren Vorstellungen auf Abstand, überblicken gedanklich einen längeren Zeitraum und
phantasieren den Ausgang verschiedener
Geschichten.
Was wird aus ihnen, was aus
dem Sohn?
„Gut, dass ihr mich damals
vor die Tür gesetzt habt. Am Anfang war das ziemlicher Mist, aber
dadurch bin ich letztlich auf die Beine gekommen.“
Und wenn nicht? Lasst los,
macht euer eigenes Ding, liebe Eltern!
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